Wann ist ein Mann ein Mann?
Wir saßen beim gemeinsamen Abendessen in der Küche. Im Radio lief gerade leise „Männer“ von Grönemeyer, als unser Großer zu Ernst sagte: »Papa, dreh doch bitte mal lauter. Momentan interessiert es mich gerade brennend, wann ein Mann eigentlich ein Mann ist. Meine „Aktuelle“, also meine derzeitige Freundin, die Flora sagt, ich sei ihr zu „machomäßig“. Die „Davor“, die Caro meinte, ich sei ein sensibles Weichei. Ja, wie soll ich denn nun sein. Frauen sind für mich ein Buch mit sieben Siegeln.« Unser Mittlerer stimmte dem großen Bruder zu, denn er war überzeugt, dass die Mädchen in seiner Klasse allesamt Zicken seien. Ich lächelte meinen lieben Ernst an und sagte: »Schatz, jetzt seid ihr, Grönemeyer und du gefragt. Ich äußere mich später zu diesem Thema. Also, was singt er denn, der Herbert?«, wollte ich wissen und forderte die Männer am Tisch auf, ruhig zu sein, um den Text richtig hören zu können. „Gröni“ sang, sehr emotional, von Männern, die Geborgenheit geben, Zärtlichkeit brauchen, die verletzlich sind und ständig unter Strom stehen würden. Auch wären sie zeitgleich außen hart und innen ganz weich und würden durch ihr Geld und ihre Lässigkeit bestechen.
Mein lieber Ernst sagte etwas zögerlich: »Also Jungs, beim Thema "Männer" kennt sich eure Mutter sehr gut aus, ich habe beim heiklen Thema „Frauen“ weiterhin so meine Schwierigkeiten. Kenne mich, so wie ihr auch, nicht so aus bei ihnen.« Ernst schmunzelte und sagte zu mir: »Schatz, du bist die Einzige, die ich inzwischen in- und auswendig kenne, allerdings bis auf kleinere und größere Ausnahmen. Jetzt erzähl mal, wie wir Männer sein sollen.« »Ja, also, ich finde, es ist ganz einfach. Ihr sollt genauso sein, wie Grönemeyer es beschreibt: Ihr sollt Geborgenheit geben, euch nach Zärtlichkeit sehnen, verletzlich sein, könnt aber trotzdem sehr gerne immer unter Strom stehen. Ihr sollt äußerlich Härte zeigen, zeitgleich aber auch ganz kuschelig weich sein. Außerdem finden wir Frauen es bestimmt ausnahmslos toll, wenn ihr wegen Lässigkeit und Geld bestecht. Ich finde, „Gröni“ hat es mit seinem Text auf den Punkt gebracht. Er hat zudem noch einen guten Tipp für euch, denn er singt: Männer haben's schwer, nehmen es aber leicht. Ja, auch wir Frauen sollten es leichter nehmen, denn es geht uns genauso wie euch. Wir wissen auch nicht so genau, wann „eine Frau eine Frau“ ist. Wir sollen so vieles sein und am besten alles zeitgleich. Zärtlich und anschmiegsam, durchsetzungsfähig, gute Hausfrauen und Mütter, doch auf keinen Fall ein „Heimchen am Herd“. Attraktiv, aber keinesfalls aufgetakelt, zudem emanzipiert und auf jeden Fall sehr anpassungsfähig. So wollt ihr Männer und auch die Gesellschaft uns haben. Ich kenne mich langsam nicht mehr aus. Außer euren Vater, Jungs, den kenne ich inzwischen in- und auswendig, allerdings bis auf kleinere und größere Ausnahmen.« Ich lächelte meinen lieben Ernst an.
Für einen kurzen Moment herrschte Stille, dann sagte unser Großer: »Jetzt habe ich zwei Probleme. Ich weiß weder, wie ein Mann zu sein hat, aber was noch viel schlimmer ist: Ich weiß nicht, wann „eine Frau eine Frau“ ist.«
An seinen jüngeren Bruder gewandt: »Du stimmst mir doch zu?« Der nickte.