Wann ist ein Mann ein Mann? - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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Wann ist ein Mann ein Mann?


Wir saßen gemeinsam beim Abendessen in der Küche. Im Radio lief gerade leise „Männer“ von Grönemeyer, als unser Großer zu Ernst sagte: „Papa, dreh doch bitte mal lauter. Es interessiert mich gerade brennend, wann ein Mann eigentlich ein Mann ist. Meine „Aktuelle“, also meine derzeitige Freundin, die Flora sagt, ich sei ihr zu „machomäßig“. Die „Davor“, die Caro meinte, ich sei ein sensibles Weichei. Ja, wie soll ich denn nun sein. Frauen sind für mich einfach ein Buch mit sieben Siegeln.“ Unser Mittlerer stimmte dem großen Bruder zu, denn die Mädchen in seiner Klasse seien allesamt Zicken. „Ja Schatz, jetzt bist du und Grönemeyer gefragt. Ich äußere mich dann später. Was singt er denn jetzt, der Herbert?“, forderte ich die Männer am Tisch auf, ruhig zu sein und dem Text zuzuhören. „Gröni“ sang, und das macht er ja immer sehr emotional, von Männern, die Geborgenheit geben, Zärtlichkeit brauchen, die verletzlich sind, jedoch ständig unter Strom stehen würden. Auch wären sie zeitgleich außen hart, innen ganz weich und würden durch ihr Geld und ihre Lässigkeit bestechen.

Mein lieber Ernst sagte etwas zögerlich: „Also Jungs, das Thema „Frauen“, das ist ein ganz heikles. So ganz kenne ich mich mit ihnen immer noch nicht aus. Ausgenommen eure Mutter. Die kenne ich inzwischen in- und auswendig, allerdings bis auf kleinere und größere Ausnahmen.“ Ernst schaute mich schmunzelnd an und sagte: „Schatz, nun sag du doch mal, wie wir Männer sein sollen.“ „Ja, also, ich finde, es ist ganz einfach. Ihr sollt genauso sein, wie es Grönemeyer beschreibt: Ihr sollt Geborgenheit geben, euch nach Zärtlichkeit sehnen, verletzlich sein, könnt aber trotzdem ständig unter Strom stehen. Ihr sollt äußerlich Härte zeigen, zeitgleich könnt ihr innen auch ganz kuschelig weich sein. Außerdem finden wir Frauen es bestimmt ausnahmslos toll, wenn ihr durch Lässigkeit und Geld bestecht. „Gröni“ hat es mit seinem Text auf den Punkt gebracht. Es ist zudem ein guter Tipp für euch, wenn er singt: Männer haben’s schwer, nehmen es aber leicht. Auch wir Frauen sollten es leichter nehmen, denn ich kann euch trösten, es geht uns genauso. Wir wissen auch nicht so genau, wann eine Frau, eine Frau ist. Wir sollen so vieles sein und am besten alles gleichzeitig. Zärtlich und anschmiegsam, durchsetzungsfähig, gute Hausfrauen und Mütter, doch auf keinen Fall ein „Heimchen am Herd“. Attraktiv, aber keinesfalls aufgetakelt, zudem emanzipiert und auf jeden Fall anpassungsfähig. So wollt ihr Männer uns und auch die Gesellschaft. Ich kenne mich da langsam nicht mehr aus. Außer euren Vater. Den kenne ich inzwischen in - und auswendig, allerdings bis auf kleinere und größere Ausnahmen.“ Schmunzelnd sah ich meinen lieben Ernst an.
 
Für einen kurzen Moment herrschte Stille, dann sagte unser Großer: „Jetzt habe ich sogar zwei Probleme. Ich weiß weder, wie ein Mann zu sein hat, aber was noch viel schlimmer ist, ich weiß nicht, wann eine Frau, eine Frau ist.“ An seinen jüngeren Bruder gewandt: „Du stimmst mir doch zu, oder?"
 
Der nickte nur.
 

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