Dranbleiben, weitermachen ...! - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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Dranbleiben, weitermachen ...!


Ein leise gemurmeltes: »Morgen«, war von unserem Mittleren zu hören, der als Letzter mit gesenktem Kopf zum gemeinsamen Frühstück am späten Sonntagvormittag erschien. Er wirkte deprimiert, schien schlecht geschlafen zu haben. Das Konzert seiner Band am gestrigen Abend war nicht so gelaufen, wie erhofft, denn es waren weniger Besucher gekommen als beim letzten Mal. Mein lieber Ernst und ich sahen uns kurz an. Mitgefühl stieg in mir hoch und nur Ernsts Blick, der sagte, lass es, er ist sechzehn, hielt mich davon ab, aufzustehen, um ihn zu umarmen.
 
»Na, kleiner Bruder, miese Stimmung heute Morgen. Kein Wunder, bei dem Reinfall. Aber das Schlimmste war doch für dich, dass Mira, die du so anbetest, nicht gekommen ist, oder?« Unser Großer lachte kurz auf. »Halt bloß deine Klappe«, war der Konter. »Du bist ganz gemein«, mischte sich unsere Kleine, fünf Jahre alt, ein, sprang auf, streichelte kurz seinen Arm und sagte tröstend: »Die Mami kocht dir bestimmt einen Schokopudding.« Es war zu sehen, dass ihm die Tränen kamen. »Jetzt fängt er auch noch an zu heulen«, war der Kommentar des Großen, und er lachte erneut. Ernst räusperte sich, sah ihn an und sagte ruhig: »Hast du mich nicht gestern um Hilfe bei Mathe gebeten, Sohnemann? Nach dem Frühstück nehme ich mir Zeit dafür, damit deine Abi-Note kein Reinfall wird. Ich denke, es wäre angemessen, wenn du dich bei deinem Bruder entschuldigen würdest.« Jetzt war ein gemurmeltes »Sorry, war blöd von mir« zu hören. »Ist okay, angenommen. Hast ja irgendwie recht. Wenn wir auf einer Fete für Stimmung sorgen sollen, da können uns alle freundlich fragen, ob wir spielen. Aber zum Konzert kommen? Nein, stattdessen kamen reichlich Absagen. Nichts als faule Ausreden. Ich bin enttäuscht und stocksauer. Die können mich alle mal. Für so wenige spielen wir nie wieder. Nie wieder! Da sind meine Jungs und ich uns einig.« Er saß mit hängenden Schultern am Tisch. Bisher hatte er nichts gegessen.
 
Mein lieber Ernst in aufmunterndem Ton: »Was mich gestern Abend sehr beeindruckt hat, war eure Souveränität, mit der ihr das Konzert gespielt habt. Eure Begeisterung und Freude kamen gut rüber. Ihr wart toll. Es war zu spüren, dass jeder sein Bestes gegeben hat. Dass es nicht so gelaufen ist, wie erhofft, war eine wichtige Erfahrung, die euch erdet, damit ihr nicht abhebt. Andauernder Erfolg kann zu Arroganz und Ähnlichem führen. Weißt du, alles, was man aus oder mit Liebe macht, führt letztendlich immer zum Erfolg. Der Applaus sollte euch bestärken, dranzubleiben und weiterzumachen. Ich freue mich schon auf das nächste Konzert. Du sicher auch, Schatz.« »Ja, klar. Schade nur, dass nicht mehr Besucher gekommen sind. Ich stimme deinem Vater in allem zu. Der Spaß am Tun ist das Wichtigste, und wenn einem etwas wichtig ist, ob Dinge oder Menschen, bleibt man dran, macht weiter, trotz Enttäuschungen. Das ist einfach so. Man spürt Kraft, einen starken inneren Drang. Ich glaube, dass du und die anderen Jungs der Band weitermachen werdet. Mira würde sich bestimmt darüber freuen. Ihre Mutter, die ich gestern zufällig getroffen habe, erzählte mir, dass ihre Tochter vorhatte, zum Konzert zu kommen, aber sie läge mit Fieber im Bett.« Nun weiteten sich die Augen unseres Mittleren, sein Blick hellte auf, ein Strahlen umgab ihn. Er straffte seine Schultern, setzte sich aufrecht hin und sagte: »Mira, wäre gekommen? Oh, cool.« Er lächelte, hielt kurz inne und sagte dann leise: »Tut mir echt leid, dass sie krank ist.« Ernst sah ihn an: »Kleiner Tipp von mir. Wie wäre es, wenn du Mira eine Nachricht schicken oder sie anrufen würdest? Auch könntest du ihr bestimmt eine Freude machen, wenn du beim nächsten Konzert einen eigens für sie komponierten Song spielst. Mädchen und Frauen lieben kreative Jungs und Männer. Ich habe doch wieder einmal recht, oder Schatz?« Er grinste. Ich schmunzelte. »Wie, sagen wir mal, fast immer. Schatz, du bist und bleibst mein Lieblingsmöchtegernmacho
 
Unser Mittlerer frühstückte inzwischen mit gesundem Appetit und ließ mich wissen, dass er zum Schokopudding gerne noch Schlagsahne hätte. Ich dachte, wie schön. Ein gutes Zeichen. Er wird dranbleiben, weitermachen mit seiner Musik. Für Mira einen Song komponieren? Ganz sicher. Da ist er, wie sein Vater. Und nicht nur da. Auch meinem lieben Ernst schmeckt die genannte Süßspeise mit Schlagsahne bekanntermaßen immer, auch gänzlich ohne Seelenschmerz.
 

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