Der Zweck heiligt die Mittel
»Ernst und auch ihr Jungs, so könnt ihr wirklich nicht aus dem Haus gehen«, lauteten, leicht entrüstet, meine Worte, oder, wie mein lieber Mann es formulieren würde, meine „Anweisungen“.
Nun wollten alle drei wie aus einem Mund, leicht genervt, wissen: »Warum?« Ich seufzte, sagte dann: »Habt ihr mal auf das Außenthermometer geschaut?« Ihre Antwort, einstimmig: »Nö.« Mein lieber Ernst grinste. »Schatz, ich vermute, wir könnten dann wissen, dass es heute Morgen frisch, deiner Meinung nach sehr, sehr kalt ist und wir deiner Meinung nach nicht entsprechend gekleidet sind. Richtig?« »Ja, Ernst, richtig und nix Schatz, denn, wer kümmert sich, wenn ihr euch erkältet?« Bevor dieser antworten konnte, bekam er Rückendeckung von unseren Jungs. Der Große, gerade volljährig geworden, der Mittlere sechzehn. Dieser zeigte sich sehr erstaunt, dass ich nicht wüsste, dass er und sein Bruder, erst ab einer Außentemperatur unter zehn Grad, die kurzen Hosen und T-Shirts gegen Jeans und Kapuzenpullis tauschen würden. Auch wäre ihnen dank ihrer Muskulatur, die bei Mädchen und Frauen nicht so ausgeprägt sei, eigentlich nie kalt und sie bei ihren Mitschülern wegen ihrer Coolness gut angesehen und nicht als Softies verpönt. Außerdem würden die ewig frierenden Mädchen tierisch nerven.
Jetzt schaltete sich mein lieber Ernst ein: »Also, ich wärme eure Mutter sehr gerne. Ich möchte ihn nicht missen, diesen Ersatz für geringere Muskulatur. Er hat seine Vorzüge. Jungs, ihr wisst bestimmt, was ich meine.« Er schmunzelte, diese grinsten und stimmten ihrem Vater zu. Ich dachte: Männer. Da sind sie sich ausnahmsweise mal einig. »Mami, ich friere. In der Kita ist es immer so kalt und ich will meinen rosa Pulli mit langen Ärmeln anziehen. Wo ist er?«, lautete die Frage unserer Kleinen, als sie die Küche betrat. Um sie zu wärmen, wollte ich sie in die Arme nehmen, doch sie gab Ernst den Vorzug: »Mami, ich will lieber zu Papi, der wärmt mich besser. Dafür bist du aber weich und kuschelig.« Sie lächelte mich an. Ernst grinste. »Da hat sie recht. Wie bereits erwähnt, und ich erwähne es immer wieder gerne, wir Männer können diese Vorzüge einer Frau nicht oft genug preisen. Habe ich recht?« Unsere Jungs grinsten, nickten und sagten einstimmig: »Ja, Papa!«
Jetzt schmunzelte dieser und sagte: »Also Jungs, vielleicht sollten wir die Anweisungen eurer Mutter doch befolgen, ihren wohlgemeinten Rat annehmen und uns wärmer anziehen. Denn sollten wir entgegen unseren Erwartungen doch krank werden, würde sie uns zwar bestimmt sehr gerne pflegen, hätte dann allerdings viel weniger Zeit, uns kulinarisch zu verwöhnen. Das wäre sehr schade, denn wie ihr wisst, geht Liebe auch bei mir durch den Magen.« Jetzt nahm sein Blick einen verträumten Ausdruck an. »Ich denke da spontan an köstliche Rouladen mit Rotkohl und Klößen, Kassler mit Sauerkraut und Kartoffelbrei, an meinen heiß geliebten Kartoffelsalat mit Bockwürstchen, an Apfelstreuselkuchen mit Sah …« Ich räusperte mich. »Ernst, bitte.« Er grinste. »Na ja, Schatz, bekanntermaßen heiligt der Zweck, in diesem speziellen Fall sind es viele kulinarische Köstlichkeiten, die Mittel, in diesem speziellen Fall die wärmere Kleidung.«
Jetzt wollte unsere Kleine wissen: »Du, Papi, was ist eigentlich heilig?« Dieser seufzte lang und länger, bevor er endlich antwortete: »Ja, also, heilig ist …«
Der Text wurde weitergeleitet an die Vereinsmitglieder der Kunstfreunde Wetter und andere lesebegeisterte Menschen