"Bäckermeister" Ernst
Mein lieber Ernst kam strahlend von seinem Arzttermin nach Hause. »Schatz, mein Doc hat grünes Licht gegeben. Ich darf ab jetzt gelegentlich mal schlemmen und ebenso gelegentlich ein Bierchen trinken. Er war sehr zufrieden mit meinen Blutwerten und hat mich bezüglich meiner konsequent eingehaltenen Diät sehr gelobt. Das muss gleich gefeiert werden. Ich möchte meine Kollegen, engsten Mitarbeiter und natürlich auch dich nach Büroschluss zu einem Umtrunk mit kleinem, rustikalem Buffet einladen. Wäre nett, wenn du dafür einkaufen könntest. Das Brot werde ich selbst backen. Ich habe mich schon auf YouTube schlaugemacht und glaube, dass ich das ohne Probleme hinbekomme. Und wenn nicht so ganz, hoffe ich auf deinen Rat. Man soll schließlich immer dazulernen.« »Na klar, Schatz, so machen wir's. Die erfolgreiche Diät inklusive Sportprogramm muss gefeiert werden«, erwiderte ich. Und es wurde dann auch eine richtig schöne, kleine Büroparty.
Voller Tatendrang sagte mein lieber Ernst gleich am nächsten Tag zu mir: »Wenn du und unsere Kleine mit der Weihnachtsbäckerei startet, bin ich mit dabei. Das Brotbacken hat so prima geklappt, da werde ich bestimmt auch Plätzchen ausstechen können.« Ich war mir da nicht so sicher, behielt meine Skepsis aber für mich. Das Brotbacken hatte zwar funktioniert, aber die Hilfe des gleichnamigen Automaten und meine Unterstützung waren demnach schon wieder vergessen.
»Papi, du musst aber eine Schürze anziehen, sonst wirst du ganz mehlig«, forderte ihn unsere Kleine auf, als Ernst voller Zuversicht und Tatendrang die Küche betrat, um bei der Weihnachtsbäckerei zu helfen. Es wurden zwei heiße Stunden für ihn, denn Tröpfchen zierten seine Stirn. Der Umgang mit dem Teig und den Ausstechförmchen schien doch anstrengender und schwieriger zu sein als gedacht. »Na, Bäckermeister Ernst, soll ich dir mal ein Schweißband für die Stirn bringen?«, kommentierte unser Mittlerer, der kurz mal in die Küche schaute, Ernsts Bemühungen. »Sohnemann, würdest du dich am Backen beteiligen, könntest du deiner neuen Flamme selbst gebackene Plätzchen schenken und damit punkten. Meine beiden Damen hier lieben jedenfalls einen Selfmademan und keinen Macho, oder?« Ich nickte, die Kleine sagte: »Papi, was ist ein Matscho?« »Jemand, der nicht beim Backen hilft, die Plätzchen aber stattdessen ganz allein aufisst«. »Papi, so einer ist blöd. Du bist lieb, hast aber eine ganz weiße Nase«, sie kicherte jetzt »Papi, du musst zum Teig ausrollen mehr Mehl nehmen. Die Mami macht das viel besser als du.« Ja, das war nicht so einfach für meinen lieben Ernst, aber er schlug sich wacker.
Als ich das letzte Backblech mit Plätzchen in den Ofen schob, holte er seine Gitarre hervor und sang das Lied In der Weihnachtsbäckerei von Rolf Zukowski. Unsere Kleine liebt bei diesem Lied besonders den Schluss, wo es heißt, verbrannt. Diese Stelle sang sie auch besonders laut und inbrünstig mit. Ernst musste dieses Lied natürlich mehrfach spielen. Von unserem Großen kam ein entrüstetes »Was qualmt denn hier so?«, als er die Küche betrat, um nach dem Rechten zu sehen, wie er sagte. Und wirklich, mein lieber Ernst hatte mich mal wieder mit Spiel und Gesang so angesteckt und begeistert, dass ich die Plätzchen im Backofen vergessen hatte. »Mami, die Plätzchen sind ja ganz verbrannt«, kam es enttäuscht, mir einen vorwurfsvollen Blick zuwerfend von unserer Kleinen. Ernst dagegen sagte mit tröstendem Tonfall: »Ich finde das nicht so tragisch und würde vorschlagen, wir machen es uns mit den vielen, dank meiner Unterstützung perfekt gelungenen Plätzchen«, er schmunzelte jetzt, »Kaffee und Kakao erst mal gemütlich. Soll ich die Weihnachtsbäckerei noch mal spielen? Wir könnten dann verbrannt, ganz, ganz laut singen. Wollen wir?« Unsere Kleine strahlte: »Au ja, Papi.«
Text weitergeleitet an die Vereinsmitglieder der Kunstfreunde Wetter und andere lesebegeisterte Menschen