Winnetou und Nscho-tschi - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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Winnetou und Nscho-tschi


Unsere beiden Jungs und mein lieber Mann saßen im Wohnzimmer vor dem Fernseher und schauten Winnetou Teil1. Kopfschüttelnd trat ich ein und sagte ungehalten: »Warum sitzt ihr im Kalten? Das ist ja total ungemütlich hier. Ernst, du hättest schon längst den Ofen anheizen können.« Ernst schaute auf. Leicht genervt wollte er wissen: »Warum bist du denn so gereizt? Für mich ist es gut so, wie es ist. Für euch auch, Jungs?« Diese nickten, ohne aufzuschauen. »Erstens, Schatz, muss es bei Winnetou nicht gemütlich sein und zweitens schürt bekanntlich eine Squaw das Feuer.« »Ernst, das ist mir zwar nicht bekannt, aber okay, vielleicht bei den Indianern. Ja, ich weiß, das Wort darf man nicht mehr sagen, sondern indigenes Volk, aber Indianer ist passender für die Geschichte. Übrigens, mein Lieber, bei den genannten besorgt Winnetou, und ich meine jetzt dich, Fleisch, damit ich, genannt Nscho-tschi, dieses in der Glut eines Feuers brutzeln kann. Wie wäre es gleich mit morgen, denn ich weiß ja, dass die jungen Krieger unseres Stammes und auch du fast immer Hunger habt. Bin sehr gespannt, ob du Häuptling Winnetou, ein Bison, mit Tomahawk und deiner Silberbüchse zur Strecke bringen wirst.« Ich lächelte ihn an.
 
Am nächsten Abend, als ich zugegebenermaßen recht spät nach Hause kam und die Küche betrat, hörte ich unseren Mittleren sehr aufgebracht sagen: »Papa, kein Schnitzelfleisch und keine Pommes einkaufen, sich stattdessen schön gemütlich mit dem Taxi nach Hause fahren lassen. So ist's richtig. Ich bin jetzt stinksauer. Und du, Mama, warum kommst du denn so spät nach Hause? Wir warten schon eine Ewigkeit auf dich. Und dass ihr es wisst: Ich habe einen Mordshunger.« Unser Großer und die Kleine gaben ihm wortreich recht.
 
Heiterer Stimmung antwortete ich entspannt: »Als ich heute Morgen gesehen habe, dass Winnetou unseren Wigwam ohne seine Silberbüchse und seinen Tomahawk verlassen hat, kamen mir berechtigte Zweifel, ob er ein Bison mit seinen bloßen Händen töten kann. Ja, und ohne Grillgut muss die Squaw, in dem Fall ich, auch kein Feuer schüren. Also habe ich mir beim Tratsch mit Apanatschi in einem wunderschönen Wigwam bei Kaffee und Kuchen entsprechend viel Zeit genommen. Wir haben sehr ausführlich über meine Affäre mit Old Shatterhand und auch noch ganz kurz über die üblichen Stammesfehden gesprochen« teilte ich den sprachlosen jungen Kriegern und der kleinen Squaw mit. Ich schmunzelte und sagte zu meinem lieben Ernst: »Erzähl mal, großer Häuptling Winnetou, weshalb gibt es denn nun heute Abend kein Bisonfleisch?« Mein lieber Ernst, der in ausgesprochen heiterer, ja fast ausgelassener Stimmung war, grinste, räusperte sich dann. »Ja, also, das war so: Rein zufällig habe ich Old Shatterhand, Old Firehand und Old Shurehand in einem eher rustikalen Wigwam getroffen. Auch wir, liebe Nscho-tschi, sprachen mit Letzterem über seine Affäre mit dir, aber nur ganz kurz, dafür aber sehr ausführlich über die diversen Stammesfehden. Da die Luft im Wigwam extrem trocken war, mussten wir unseren Durst mit sehr viel Feuerwasser löschen. Dank der Wirkung konnte ich mein geliebtes Pferd Iltschi nicht finden und musste mich mit einem vierrädrigen stinkenden Blechungetüm nach Hause fahren lassen. Als ich irgendwann merkte, dass ich meinen Tomahawk und die Silberbüchse vergessen hatte, zum Glück war auch kein Bison zu sehen, habe ich noch schnell in einem Store schnöde Tiefkühlpizza für alle besorgt.«
 
Nun konnten wir, der große Häuptling Winnetou und ich, die Squaw Nscho-tschi, unser Lachen nicht länger zurückhalten. Sehr entrüstet und seine Augen verdrehend, sagte unser Mittlerer: »Ihr seid unmöglich, wie Kinder, eigentlich noch viel schlimmer. So richtig albern. Peinlich finde ich das. Zum Glück bekommt das hier außer uns niemand mit. Ich schwöre Rache. Falls wir wieder Pizza, statt Schnitzel und Pommes essen müssen, kommen Nscho-tschi und Winnetou an den Marterpfahl. Howgh! Ich habe gesprochen!«
 
Text wurde weitergeleitet an die Vereinsmitglieder der Kunstfreunde Wetter und andere lesebegeisterte Menschen.

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