Lebendige Liebe
Mein lieber Ernst und ich waren in der Stadt unterwegs. Sehr gern gehen wir dann auch in eine Buchhandlung, um dort „herumzustöbern“. Dieses führt manchmal dazu, dass jeder von uns zwei Bücher nach Hause trägt, denn wir haben einen Deal. Ein Buch sucht Ernst für mich aus, wie auch ich eines für ihn, in der Hoffnung, dass es gefällt. Ein anderes wählen wir nach eigenem Geschmack. Uns gefällt diese Art von Shopping, nehmen uns und unser „Wortgeplänkel“ dabei aber nicht ganz so ernst, mein lieber Ernst und ich.
Zuerst einmal schauen wir gemeinsam die Neuerscheinungen und Bestsellerlisten an, denn man(n) und Frau will ja mitreden können! Danach gehen wir getrennt auf Entdeckungsreise, denn schließlich hat jeder seine ganz eigenen Interessen. Ernst kann sich für mein Empfinden stundenlang in Bücher mit folgenden Titeln vertiefen. Zum Beispiel: Wie bekommt man(n) den größten Fisch an den Haken, Bierbraukunst-leicht gemacht, Anti-Aging Programme für die besten Jahre u s w. Dann entdeckte ich ihn in der Psychologie - Ecke. Er blätterte, in Der sensible Mann - selbstbewusst Gefühle zulassen. „Ernst, das ist ein tolles Buch. Das würde ich dir sehr gern schenken, denn ich liebe sensible, selbstbewusste und einfühlsame Männer. Kannst du fühlen, welches Buch ich mir ausgesucht habe oder musst du diese Zeilen doch erst lesen?“ Ernst antwortete: „Schatz, da ich sensibel bin, kann ich zum Beispiel erfühlen, auch weil ich dich gut kenne, dass du dir nicht Forever Young oder Ähnliches ausgesucht hast. Du weißt ja, dass mich eine Frau, die selbstsicher in Würde altert, ganz besonders beeindruckt.“ Ganz erstaunt wollte ich wissen: „Und warum hattest du vorhin die Anti-Aging-Programme für den Mann ins Visier genommen?“ Ernst grinsend: „Das war nur rein informativ, meine Liebe.“ „Okay mein Lieber, dann weiß ich Bescheid. Übrigens, ich habe mir dieses Buch ausgesucht: Selbstbewusstsein kann man lernen. Weißt du Ernst, da ist bei mir noch reichlich Luft nach oben, aber ich werde, die Hoffnung auf ‚Mehr davon‘ nicht aufgeben.“ Dieser schaute mich ungläubig an: „Dass gerade du dir dieses Buch aussuchst, erstaunt mich. Meiner Meinung nach gibt es für dich zu diesem Thema nicht mehr viel zu lernen. Wenn ich bedenke, wie oft du selbstsicher und entsprechend eigensinnig deine Meinung vertrittst, weil diese deiner Meinung nach absolut genial ist. Du bist in diesen Momenten eine Herausforderung der anstrengenden und sehr lebendigen Art für mich. Helfen kann mir dabei nur mein Humor und ganz viel Nachsicht. Aber okay, deine Ideen sind manchmal und ich sage ganz betont manchmal auch nicht ganz so schlecht.“ Entrüstet sagte ich: „Was heißt denn hier manchmal nicht ganz so schlecht? Meiner Meinung nach sind sie immer fantastisch. Aber auch ich kenne einen selbstbewussten, sehr eigensinnigen und lebendigen Mann, dem ich manchmal meine gesamte lebendige Fröhlichkeit entgegenhalten muss.“ Jetzt fing mein lieber Ernst so herzlich an zu lachen, dass ich einstimmte. Er ließ mich wissen: „Schatz, genau diese besondere Lebendigkeit, die so typisch für dich, und manchmal auch für mich ist, habe ich vorhin gemeint. Deshalb würde ich dir dieses Buch mit folgendem Titel schenken: Selbstbewusst sorgt ‚Frau‘ für die Familie und auch für sich. Für mich habe ich ein Exemplar gefunden, was hoffentlich auch deine Zustimmung findet: Nur Hausmannskost hält den Mann bei Kräften“. Du weißt, wie sehr ich, leider im Gegensatz zu dir, deftiges Essen liebe." Schmunzelnd antwortete ich: „Das hast du ganz prima ausgewählt, Ernst. Bleib du nur bei Kräften! Da du am Wochenende nicht ins Büro gehst, bist du dann ja Hausmann und darfst für uns alle, unsere Jungs werden sich sehr freuen, gleich am kommenden Wochenende etwas Deftiges mit reichlich Zwiebeln brutzeln. Denn wenn du diese schneidest, Schatz, kannst du endlich, endlich ganz bewusst sensibel deinen Gefühlen freien Lauf lassen.“
Jetzt sprach uns etwas schüchtern eine ältere Dame an: „Entschuldigen sie bitte, haben sie beide vielleicht dieses Buch gelesen? Lebendige Liebe auf Augenhöhe – den Humor bitte nicht vergessen!“
Sollte sie vielleicht unserem „Wortgeplänkel“ zugehört haben?