Ernst im "Spar- und Erfolgsmodus" - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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Ernst im "Spar- und Erfolgsmodus"

Mein lieber Ernst betrat, seinen Laptop unter dem Arm, unsere Küche, die er gern die Schaltzentrale der Familie nannte. »Meine Lieben, so geht es nicht weiter. Wir müssen sparen. Ich möchte euch deshalb zu einer außerplanmäßigen Familienkonferenz einladen. Mein Großer, du schreibst das Protokoll.« »Nö, Papa, keine Lust. Du bist mein Vater und hier nicht der Chef. Wenn ich mir allerdings morgen Abend dein Cabrio ausleihen kann, dann mach’ ich’s«, kam es betont cool von unserem Ältesten. Ernst runzelte die Stirn. »Schatz, meinst du nicht, dass du jetzt übertreibst. Es ist doch eine Familienangelegenheit«, versuchte ich die aufkommende Missstimmung zu entkräften. Ernst lenkte ein: »Okay, vielleicht hast du teilweise recht. Also, alles ist sehr teuer geworden. Sämtliche Energiepreise, der komplette Lebensunterhalt, einfach alles. Wir sollten deshalb keine Fernreise buchen, denn klimafreundlich geht anders. Ebenfalls über eine Solaranlage fürs Dach nachdenken und den Wasserverbrauch reduzieren. Jungs, zweimal täglich duschen ist nicht mehr. Dann runter mit dem Klamotten-Kauf, das Autofahren sollten wir auf das Nötigste beschränken und die Fahrräder wesentlich mehr nutzen. Beim Lebensmitteleinkauf Schatz solltest du zukünftig viel mehr die Sonderangebote beachten, auf Bioprodukte lege ich aber weiterhin wert. Fürs Erste wären das meine Vorschläge. Weitere können jetzt von euch eingebracht werden. Als BWLer in leitender Position habe ich gern schon vorgedacht und vorgerechnet. Ach, da kommt mir spontan eine super Idee«, Ernst schmunzelte, »ich schaffe mir ein Pferd an und reite zur Arbeit, statt mit dem Auto zu fahren. Ist das nicht genial? Ich sehe schon die Schlagzeile auf der ersten Seite: CO₂ Sparen leicht gemacht. Früher fuhr Man(n) zur Arbeit, heute reitet Man(n)! Ist das nicht eine großartige Idee?« Strahlend schaute er in die Familienrunde.
 
»Papa, ich sehe schon jetzt das Riesenfoto unter der Schlagzeile. Du, statt mit Anzug und Krawatte im Auto, bist als Cowboy verkleidet und sitzt auf einem gemütlichen Kaltblut. Geile Idee. Das würde besonders die Frauen beeindrucken«, unser Mittlerer brach in schallendes Gelächter aus. Mein lieber Ernst stimmte herzhaft mit ein. »Davon gehe ich auch aus. Merkt euch eins, Jungs, man und ich meine jetzt mich, muss sich immer neu erfinden. Ungewöhnliches machen, mal Kante zeigen, nicht immer das täglich gleiche Einerlei. Damit stehen die Chancen gut, erfolgreich zu sein. Besonders bei Frauen, da weiß ich Bescheid. Nur eine Null hat bekanntlich keine Ecken und Kanten.« Unser Großer konterte: »Papa, die Mama hat es aber voll drauf, deine Kanten rund zu schleifen«. »Merkt ihr das etwa?« Ernst grinste. »Nun ja. Sag mal, Schatz, was sagst du zu meiner Idee? Ist sie nicht außergewöhnlich?«
 
Ich nahm seine Hand, lächelte und sagte: »Ernst, was ich immer wieder sehr liebe, ist deine Begeisterung für etwas. Ich finde es toll, wenn du dann so strahlst. Danke, dass du die vielen unbequemen Dinge beim Namen nennst. Man merkt, dass du ein moderner, fortschrittlich denkender und selbstbewusster Mann bist. Ja, ich stimme dir grundsätzlich in allem zu. Wir sollten und müssen etwas ändern. Etwa ein E-Auto kaufen und das Cabrio abschaffen. Bei den Benzinpreisen sinnvoll.« Ich wurde von unserem Großen unterbrochen: »Och nee, Mama, das ist jetzt keine gute Idee. Meine Mädels stehen aufs Cabrio fahren.« Ich räusperte mich. »Ernst, ich könnte mir dich sehr gut auf einem Lastenfahrrad vorstellen und mich auf einem neuen E-Bike. Die Lebensmitteleinkäufe könnten wir dann gemeinsam machen und du hättest selbst die Gelegenheit, auf die Sonderangebote zu achten.« Ernst runzelte seine Stirn. Unser Mittlerer grinste. »Papa, das nenne ich sehr erfolgreich, wenn du vom Pferd auf einen Drahtesel, sprich Lastenfahrrad umsteigst.« Ernst runzelte erneut seine Stirn. »Erfolg hat viele Gesichter, mein Sohn. Das ist wichtig zu wissen!« Nun meldete sich unsere Kleine zu Wort: »Du Papi, der Vater von Max aus meiner Kita, der hat auch ein Lastenfahrrad und findet das ganz, ganz toll.« »Ach, der Sven. Das ist ja großartig. Schatz, dann besorge doch mit dem unsere Lebensmittel. Der macht das bestimmt sehr gern für dich.« »Ernst, bitte! Das ist jetzt keine …« »Etwa keine ganz so gute Idee? Also, ich halte sie für sehr praktisch. Okay, dann eben nicht.« »Schatz, deine Idee zur Arbeit zu reiten, die finde ich ausgesprochen originell und witzig. Du weißt, dass ich es großartig finde, wenn Menschen nicht immer konform handeln und allen Erwartungen entsprechen. Beeindrucken würde mich allerdings auch diese Schlagzeile, natürlich mit Foto, auf der ersten Seite unserer Zeitung: Ernst und Band endlich wieder auf der Bühne! Alle Konzerte ausverkauft! Deine weiblichen Fans wären bestimmt sehr begeistert!« Ernst strahlte mich an: »Schatz, du bist die Beste und hast immer die allerbesten Ideen. Ich stimme dir in allem zu. Besonders die Idee, endlich wieder mit meinen Jungs von früher Konzerte zu spielen, ist super! Ich werde gleich meine Gitarren holen und ihr checkt meine Stimme. Ich muss gleich die Jungs meiner alten Band motivieren.« Mein lieber Ernst war wie immer gleich Feuer und Flamme.
 
Unser Mittlerer erstaunt: »Papa, und was ist mit deiner Superidee, Cowboy zu spielen?« »Ach, Sohnemann, das war vorhin. Jetzt ist jetzt. Und jetzt werde ich natürlich gleich neue Songs komponieren.« »Du bist immer so sprunghaft, Papa. Das ist mega anstrengend. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Puh!«
 
Ernst betont ernsthaft. »Was heißt denn hier Kartoffeln und anstrengend? Der moderne Mann muss, ob beruflich oder privat, flexibel sein. Nur so wird und bleibt er erfolgreich. Nehmt mich nur zum Vorbild.« Jetzt folgten einige seiner Lieblingssätze: »Erfolg hat drei Buchstaben: TUN, Erfolg kommt dann, wenn du tust, was du liebst, und man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen. Jungs, das ist jetzt besonders für euch wichtig: Frauen lieben durchsetzungsstarke und energetische Männer.« Unsere Kleine lächelte Ernst an: »Oder Männer wie dich, Papi, die ganz doll lieb sind und gern kuscheln.«
 
Der Text wurde im Gemeindeblatt Wetterner Bote veröffentlicht und an die Vereinsmitglieder der Kunstfreunde Wetter und andere lesebegeisterte Menschen weitergeleitet     
 


 
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