Die kleine, grüne Bank
Es steht noch da, das kleine, weiße Haus, mit der kleinen, grünen Bank davor. Dort sah ich, wenn ich vorbeiging oder -fuhr, ein altes Paar, das dort lebte, oft gern eng beieinandersitzen. Diese Szene wirkte auf mich idyllisch. Wohl auch wegen der vielen Töpfe, die mit Blumen bepflanzt waren. Das alles gab ein schönes, buntes Bild ab. Die zwei alten Menschen sind nicht mehr zu sehen, sind woanders. Verloren, einsam, verwaist stehen die leeren Töpfe da. Über allem liegt ein melancholischer, grauer Schleier. Selbst wenn die Sonne scheint, herrscht eine trostlose Stimmung. Trostlos? Gibt es nicht immer Trost durch Hoffnung auf ein „weiter“, irgendwann und irgendwie?
Mir kommen die Blumen in Töpfen und vielen Farben in den Sinn, die sie, ich glaube, mit Liebe eingepflanzt hatte, denn es gab sehr viele Töpfe, die eine positive, heitere Atmosphäre vermittelten. Obwohl sie auf der Nordseite des Hauses standen, im Schatten. Dieser hatte jedoch bei so viel Buntem keine Chance auf Negativität. Auch die Frau trat diesem Dunkel entgegen, mit ihrer warmherzigen, fröhlichen Ausstrahlung, die sie meinem Gefühl nach hatte. Denn ich kannte sie nur vom Sehen. Wir haben nie miteinander gesprochen, aber uns immer freundlich gegrüßt. Ein Kopfnicken, ein Lächeln, im Vorbeigehen oder -fahren. Zwischen ihr und mir. Er war zurückhaltender. Jedenfalls auf den ersten Blick. Einen Zweiten hatte es nie gegeben. Und sie? Wären wir uns auch auf den Zweiten sympathisch gewesen? Vielleicht, da es Gesprächsstoff gegeben hätte, über Blumen, die auch ich sehr liebe. Allerdings nicht so sehr in Töpfen, eher im Gartenbeet umgeben von grünem Gras. Statt einer grünen Bank, die fehlt. Fehlt? Darüber könnte ich nachdenken.
Ihre Bank, von der die grüne Farbe inzwischen abblättert, wirkt verletzt, ist sichtlich gealtert. Ebenso ihr weißes Haus und die vielen leeren Töpfe. Alles steht wie verloren da, wirkt verwaist, allein, einsam. Das alte Paar hat alles zurückgelassen, nichts mitgenommen. Sind sie jetzt da, wo alle hingehen? Irgendwann. Und ihre Energie, diese Aura, die sie umgab? Wo ist sie? Alles birgt ein Geheimnis.
Die zwei gingen nicht zugleich. Zuerst ging er. Sie blieb. Noch. Saß jetzt meist allein auf ihrer kleinen, grünen Bank, vor ihrem kleinen, weißen Haus. Selten saß jemand neben ihr. Es gab nur noch wenige Blumentöpfe, auch fehlten die gelben Zinnien und roten Geranien. Sie gab es, als er noch neben ihr saß. Die Frau und ich grüßten uns weiterhin freundlich, nickten uns zu. Wie immer. Oder auch nicht, wie immer. Ihre Freundlichkeit war jetzt durch Melancholie geprägt. Sie hatte sich verändert, ihre Ausstrahlung ohne Glanz, wirkte verwaist, allein, einsam, verloren. Spürte sie die tröstliche Hoffnung, das zu finden, wonach sie suchte?
Irgendwann sah ich sie nicht mehr. Jetzt war auch sie gegangen, woanders hin.
Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich die beiden eng nebeneinander auf einer anderen kleinen, grünen Bank, vor einem anderen weißen Haus sitzen. In vielen Töpfen blühen gelbe Zinnien und rote Geranien.