"Schatz, in zehn Jahren, da ... - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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"Schatz, in zehn Jahren, da ...


… wird meine Kleine nicht mehr sagen: Du Papi, weißt du waas ... Ich liebe dieses geleierte waas, und dass sie mich dabei so anstrahlt.« »Ja, Ernst, sie wird vielleicht sagen: Papa, ich habe mich verliebt. Er ist ganz toll. Dann wird sie ihre Augen schließen, an ihn denken und ein Leuchten wird sie umgeben.« Er seufzte. »Dann bin ich abgeschrieben. Sie wird diesen Jüngling zärtlich Schnucki oder Bärchen nennen und ihn … ach, ich darf gar nicht daran denken.« »Sie wird dich immer lieb haben. Warum nur machst du dir so viele Gedanken, was in zehn Jahren sein wird? Es wird, wie immer, Erfreuliches und Schwierigkeiten geben.« »Auf jeden Fall werde ich diesen Knaben sehr genau unter die Lupe nehmen und mir seinen Notendurchschnitt zeigen lassen. Er hat hoffentlich nicht vor, sich brotloser Kunst zu widmen.« Ich seufzte und sagte: »Schatz, sie ist erst fünf.« »Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass er sie unglücklich macht. Vor meinem geistigen Auge sehe ich jetzt schon, wie ich sie tröstend in die Arme nehmen und ihre Tränen abtupfen werde. Spaghetti-Eis könnte hilfreich sein. Das ist auch dein Seelentröster. Meine sind Schokopudding mit Sahne, Tiramisu, Zitronentarte mit Baiser, Frankfurter Kranz, Apfelschnecken, Marmorku …« »Ernst, bitte.« Ich seufzte, lächelte. Er grinste. »Okay. Also, der Schuft kann sich auf jeden Fall warm anziehen. Du weißt, dass ich sehr deutlich sein kann. Nun ja, es werden sie viele Jungs umschwärmen, denn sie ist bekanntermaßen das hübscheste Mädchen in ihrer Kita. Klar, bei der Mutter.« Ernst lächelte mich an. »Aber ihren Charme, das musst du zugeben, den hat sie von mir.«
 
»Solltest du diese Beurteilung nicht besser anderen überlassen?« Ernst räusperte sich kurz, grinste. »Nun ja, mein Lieber, jedenfalls wird sich unsere, nicht nur deine Kleine, ganz sicher mehrmals verlieben. Manchmal wird sie unglücklich sein und du kannst sie in die Eisdiele einladen. Aber auch sie wird Männern und Jungs Herzschmerzen zufügen. Unsere zwei haben sie schon erlebt. Genieße die kostbaren Erinnerungen und schönen Momente mit ihr im Jetzt.«
 
Ernst seufzte tief und sagte dann: »In zehn Jahren werden unsere zwei Jungs bestimmt nicht mehr zu Hause wohnen. Hoffentlich finden sie ihren richtigen Weg.« »Ernst, alle drei werden stolpern, hinfallen und ganz sicher wieder aufstehen. Wir können unseren Weg nicht schauen, aber alles erwarten und auf Gutes vertrauen. Im Übrigen hoffe ich sehr, dass unsere Jungs nicht erst in zehn Jahren aus dem Nest fliegen werden.« Er sah mich erstaunt an. »Ich habe bisher gedacht, du liebst sie und hängst an ihnen.« »Schatz, gerade deshalb. Über ihre Besuche werde ich mich aber immer freuen. Meistens jedenfalls.« »Besuch ist mir viel zu wenig. Ich vermisse schon jetzt ihr Ernesto statt Papa, wenn sie cool sein wollen, unsere Kabbelei, wenn es ums Taschengeld, Rasenmähen etc. geht. Wie viel Spaß haben wir drei bei unseren schon jetzt legendären Hauskonzerten. Ich freue mich, dass sie mein musikalisches Talent und meinen Charme geerbt haben. Damit können sie bei den Mädchen genauso punkten wie ich damals, sogar bei dir.« »Ja, aber auch deine Energie und Dranbleiben haben mich beeindruckt.« Er lächelte und sagte: »Ach, weißt du, an die Survival-Tour, mit ihren Hürden, die mich mit unseren Jungs zusammengeschweißt hat, erinnere ich mich gerne. Wir sind uns damals sehr nahegekommen. Wenn ich ihnen gegen Hunger und Durst Stockbrot und Quellwasser geben konnte, fühlte ich mich wichtig und gebraucht. Dieses gute Gefühl ist bis heute geblieben.« Mein lieber Ernst lächelte selig.
 
In diesem Moment kamen unsere zwei Jungs nach Hause. Als Erstes war, wie aus einem Munde, von ihnen zu hören: »Mama, was gibt es zu essen?« Gleich danach stürmte unsere Kleine strahlend ins Wohnzimmer und sagte: »Du, Mami, weißt du waas ...«
 
Ernst sah mich an und schmunzelte.

Text weitergeleitet an die Vereinsmitglieder der Kunstfreunde Wetter und an andere lesebegeisterte Menschen
 
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