»Na (Nun) ja ...«, »So,so ...«, »Mmh ...« - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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»Na (Nun) ja ...«, »So,so ...«, »Mmh ...«


Es war kurz vor eins in der Nacht. Mein lieber Ernst stupste mich an und sagte: »Hörst du's auch? Unser Großer kommt nach Hause. In weiblicher Begleitung. Eindeutig.« Zu hören war dieses am leisen Lachen und Gemurmel einer Frauenstimme. »Ist bestimmt seine Neue. Hat sich uns bisher nicht vorgestellt, aber übernachtet in unserem Haus. Die traut sich was. Ach, was sage ich, beide trauen sich was, auch weil sie sich noch nicht soo lange kennen. Also, ich stehe jetzt auf und stelle sie zur Rede.« Ernst war sichtlich aufgebracht.
 
»Ernst, bitte reg dich doch nicht so auf und bleib liegen.« Ich seufzte, lachte dann leise. Er jetzt noch aufgebrachter: »Du lachst? Was ist an dieser Sache so lustig? Nun ja, ich kann meinen Unmut gerne auch erst morgen früh äußern. Aber dann gleich werde ich mir die junge Frau ganz genau ansehen. Sie scheint mir ja ein richtiges Früchtchen zu sein.« »Schatz, ein ebensolches Früchtchen, wie ich damals. Auch ich habe deine Eltern erst danach, du weißt, was ich jetzt meine, morgens beim gemeinsamen Frühstück kennengelernt. Wir zwei kannten uns damals ebenfalls nicht soo lange und haben uns trotzdem das Gleiche getraut. Übrigens: Ich habe neulich ein passendes Zitat von Rilke gelesen: Wenn die Sehnsucht größer ist als die Angst, wird der Mut geboren. Und genauso ist es. Liebe lässt Angst und Unsicherheit einfach davonfliegen wie ein Schmetterling. Ein schönes Bild und wunderbarer Gedanke, wie ich finde.«
 
Mein lieber Ernst schmunzelte. »Ja, gefällt mir auch. Ich habe auch einen sehr romantischen Gedanken: Du bist mein Licht und ich eine Motte, die sich magisch von dir angezogen fühlt.« Ich dachte: Motten und Romantik? Sagte dann: »Schatz, es fühlen sich normalerweise mehrere Motten gleichzeitig vom Licht angezogen.« Er runzelte seine Stirn, seufzte und äußerte ein: »Mmh. Leider.« Es entstand eine längere Pause, bevor er weitersprach: »Bei mir war es Liebe auf den allerersten Blick und da auch du meinem stadtbekannten Charme nicht widerstehen konntest, dachte ich, warum darauf, du weißt, was ich jetzt meine, noch länger warten?« Er grinste. Ich schüttelte den Kopf, seufzte. »Ernst, bitte.« Lachte leise. »Ich sage es immer wieder gerne: Du bist und bleibst mein Lieblingsmöchtegernmacho. Ich kann mich noch ganz genau an meine Befangenheit und starkes Herzklopfen zu Beginn des Frühstücks erinnern. Wahrscheinlich konnten deine Eltern es sogar hören, denn dein Vater war sehr freundlich zu mir. Gut, deine Mutter konnte ihre Skepsis schlecht verbergen. Aber ihre Herzlichkeit hat auch schon damals gesiegt. Dann, beim Willkommenssekt, waren alle Hürden genommen und ich in deiner Familie angekommen.
 
Ernst, um auf deinen Einwand, die kennen sich doch noch nicht soo lange zurückzukommen: Wenn man verliebt ist, will man zusammen sein, egal, wie lange man sich kennt. Das ist doch ganz natürlich. Vielleicht war die gemeinsame Nacht von den beiden gar nicht geplant. Liebe ist nicht planbar. Gefühle siegen immer über den Verstand. Ihnen geht es heute so wie uns damals auch. Man lernt einen Menschen kennen und findet ihn ohne Einschränkungen einfach nur toll. Liebe ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Wunder. Freuen wir uns für die zwei.«
 
Ja, und dann kam der nächste Morgen. Unser Großer und seine Freundin erschienen als Letzte zum Frühstück. Ich dachte: wie damals bei Ernst und mir. Auch wir wollten den erwarteten unangenehmen Augenblick so lange, wie möglich hinauszögern. Beide wirkten, wie wir damals, etwas befangen und ihr „Guten Morgen“ klang leise. Die Blicke der gesamten Familie waren auf die junge Frau gerichtet, wie damals bei mir. Jetzt stand mein lieber Ernst auf, um sie zu begrüßen. Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, was mich nicht wunderte, denn sie war sehr hübsch, reichte ihr die Hand und sagte: »Wie schön, dass wir uns endlich kennenlernen. Ich hoffe, ihr zwei habt gut geschlafen?« Jetzt fing unser Mittlerer, der sich im besten Flegelalter befand, prustend anzulachen. Ein strenger Blick von Ernst genügte, um ihm Einhalt zu gebieten. Dann sagte mein lieber Mann: »Ja, ja, selbst die schlechteste Matratze ist immer noch besser als die bequemste Isomatte.« Alle Anwesenden schauten ihn irritiert an. Ich dachte: aus welcher hinter letzten Gehirnwindung hat er denn diesen abstrusen Satz hervorgekramt?
 
Er lächelte, meinem Gefühl nach etwas unsicher. Ich sah, dass sich seine Mundwinkel nach oben bogen und er seine Schultern straffte. Jetzt fing er anzulachen. Alle, bis auf unsere Kleine, stimmten ein. Ernst strahlte: »Na, geht doch, meine Lieben! Habe ich es mal wieder geschafft. Gemäß dem Motto: ohne Ernst, kein Witz.« Der Mittlere seufzte und schüttelte seinen Kopf: »Papa!« Ernst grinste, räusperte sich und sagte leise: »Na ja.« Ich dachte: Warum nur will er so lustig sein? Sollte gerade dieses beharrliche Wollen seine gelassene Heiterkeit verhindern, die ich so an ihm liebe? Ich lächelte und sah den richtigen Moment gekommen, ihn zu fragen: »Schatz, wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt für ein Gläschen Sekt?« Er schenkte mir einen dankbaren Blick, ebenso unser Großer und seine Freundin, dann lächelte er strahlend. »Prima Idee! Ich sage es immer wieder gerne: Du bist die Beste!«
 
Nun konnte auch ich die junge Frau endlich freundlich begrüßen. Unsere Kleine schloss sich mir an und sagte zu ihr: »Ich kenne dich. Du hast neben meinem Bruder draußen an der Eisdielentheke gestanden, als ich mit Mami und Daniel drinnen gesessen habe. Daniel ist immer sehr lieb. An diesem Tag, ich weiß es noch genau, hat er für mich einen „Biene Maya“ Eisbecher bestellt.« Ernst schaute zuerst unsere Kleine, dann mich, verblüfft, seine Stirn runzelnd, an: »Ihr wart schon wieder mit diesem Daniel in der Eisdiele? So, so. Ich verstehe: über die Tochter an die Mutter. Mmh.« Jetzt zeigte sich eine steile Falte zwischen seinen Augenbrauen. Die lockere Gesprächsatmosphäre war verflogen.
 
Jetzt wollte die Freundin vom Großen wissen: »Wer ist denn dieser Daniel?« Unser Großer grinste Ernst an und sagte dann zu ihr: »Ein sympathischer, junger Mann, den meine Mutter von Koch-Workshops kennt. Dieser scheint meinen Vater anzuspornen, zu ihr immer, na ja, fast immer sehr charmant zu sein.«
 
Jetzt lächelte mein lieber Ernst, räusperte sich erneut, zuckte mit seinen Schultern, seufzte und sagte: »Na ja …«
 
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