Das "Finde-Gen" oder der "Erbsenprinz" - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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Das "Finde-Gen" oder der "Erbsenprinz"


„Mama, wo ist denn mein Schal“ und „Mama, hilf mir doch bitte mal beim Suchen. Ich finde meine warmen Socken nicht“. Mit diesen Worten begrüßten unsere Söhne den ersten frostigen Tag im November und mich. Mein lieber Ernst schloss sich an: „Schatz, wo ist denn meine Pudelmütze? Ich kann sie ausnahmsweise mal nicht finden!“ Meine Antwort übernahm unsere kleine Tochter, und das ziemlich ungehalten: „Papi, sie liegt doch immer noch seit dem letzten Winter im Körbchen in der Garderobe. Wieso fragst du eigentlich immer gleich die Mami? Du hast ja noch nicht mal selbst gesucht!“ Ernst antwortete: „Weil die Mama das sogenannte ‚Finde-Gen‘ hat und du wahrscheinlich, wie alle anderen weiblichen Wesen auch. Ich finde das übrigens sehr praktisch, denn falls sie mal nicht da …“ weiter kam er nicht, denn unsere Kleine fiel ihm mit: „Ich helfe dir nur, wenn du vorher selbst ganz, ganz, ganz lange gesucht hast. Heute mache ich aber mal eine Ausnahme, weil ich dich ganz doll lieb habe“, ins Wort. Sprach's und sauste zur Garderobe, um seine Mütze zu holen. Lächelnd nahm Ernst sie auf den Arm und sagte: „Hast du Lust, gleich am kommenden Samstagnachmittag mit mir in einen Märchenfilm zu gehen? Dass du mir meine Mütze bringst, ohne dass ich dich darum gebeten habe, einfach so, das finde ich ganz toll!“ Srahlend antwortete sie ihm: „Ich finde das mit dem Kino auch ganz toll! Nur wir beide, ohne die Mami. Das muss ich gleich meiner Freundin erzählen.“

Im Stillen dachte ich: Sollte Ernst wirklich nicht ahnen, dass unsere Tochter demnächst ungebeten sehr viel und gern für ihren Papi finden wird? Stattdessen sagte ich: „Das passt ja gut, denn ich glaube, momentan läuft ‚Der Froschkönig‘ im Kino. Das ist doch gerade das Richtige für euch beide. Ernst, ehrlich gesagt, wenn ich mir überlege, wie oft ich schon in den vielen Jahren auch ungebeten etwas für dich gefunden habe, könnten wir gleich morgen Abend …“ Ernst fiel mir schmunzelnd ins Wort: „… in einen richtig schönen romantischen Liebesfilm gehen. Nur wir beide allein und natürlich nehmen wir einen „Pärchensitzplatz“. Wir trinken dann noch Prosecco und essen Popcorn. Eiskonfekt wäre aber auch nicht schlecht.“ „Schatz, ich bin beeindruckt, wie gut du mich kennst“, stellte ich begeistert fest. Jetzt meldete sich unser Mittlerer mit: „Mama, du liebst doch Prinzen und sagst hin und wieder mal, dass Papa dein „Erbsenprinz“, ich meine natürlich ein Prinz auf der Erbse sei. Da wären doch die Kekse namens ‚Prinzenrolle‘ genau passend.“ Ernst daraufhin: „Also die ‚Prinzenrolle‘ wäre für meine empfindsamen Geschmacksknospen o. K, solange ich mir dabei nicht so was wie ‚Ein Herz und eine Krone‘ ansehen muss. Aber ich bin mir sicher Schatz, dass du mit deinem „Finde-Gen“ genau den richtigen Film für uns finden wirst. Bei dem kalten Wetter mit dir im warmen Kino sitzen und einen Liebesfilm ansehen ist genial! Da wird mir jetzt schon ganz warm ums Herz.“

„Mami, wenn du das ‚Finde-Gen‘ hast, dann hast du also damals den Papi gefunden. Papi, das war ja sehr praktisch für dich, denn du suchst ja nicht gern“, kam es von unserer kleinen Tochter. Ernst daraufhin lachend: „Ich habe mich sogar vor ihr versteckt, aber sie hat mich Gott sei Dank trotzdem gefunden, denn wir wissen ja alle, dass sie ein ganz, ganz großes ‚Finde-Gen‘ hat.“ Jetzt mischte sich unser Großer ein: „Papa, jetzt mal Hand aufs Herz. Was stimmt denn nun: Bisher hast du doch immer wieder gern erzählt, dass du die Mädels und Frauen im Sturm erobert hast und du zwar nicht „Don Juan“, aber „Don Ernesto“ genannt wurdest. Ich muss sagen: Immerhin, denn jeder hat ja mal klein angefangen!“
 
Lächelnd ignorierte Ernst die Bemerkung, schaute mich an und sagte: „Weißt du noch, wie es bei uns damals so war? Also, meine Erinnerungen diesbezüglich hat momentan irgendwie der Novembernebel verschluckt.“ Ich antwortete lächelnd: „Du hast dich vor mir versteckt? Davon wüsste ich! Da ich auch ein gutes „Erinnerungsgen“ habe, weiß ich noch sehr genau, dass du damals ein ausgesprochen großes „Such“- und auch „Finde-Gen“ hattest.“
 
Text weitergeleitet an die Vereinsmitglieder der Kunstfreunde Wetter und an andere lesebegeisterte Menschen
 
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