Reisevorbereitungen - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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Reisevorbereitungen


»Schatz, ich möchte eine Woche verreisen, wie lange hast du vor zu bleiben?« »Wieso? Natürlich auch eine Woche, Ernst. Seit Langem ist das endlich mal eine Zeit nur zu zweit. Wieso fragst du mich das?« Er runzelte seine Stirn und sagte: »Wenn ich sehe, wie viele Gepäckstücke ins Auto sollen, kann ich schon mal den Nachbarn um seinen Anhänger bitten, denn aus Erfahrung weiß ich, dass da noch einiges mehr kommt, was deiner Meinung nach unbedingt mitmuss!« »Ernst, übertreib doch nicht immer so. Warum bist du denn so gereizt? Es läuft doch genauso ab wie immer.«

Ernst seufzte und grummelte: »Ja, das ist genau der Punkt. Wie immer. Oder auch nicht wie immer, denn vor Jahrzehnten hast du nur deine Badeklamotten, Jeans und T-Shirts mitgenommen. Das war's dann. Ich verstehe nicht, warum das bei dir nicht so geblieben ist? Bei mir geht’s doch auch!« »Ernst, untertreib doch nicht so. Ich habe schon immer wesentlich mehr mitgenommen als du. Schade, die Freude auf die Zeit zu zweit verwandelt sich gerade in eine aufziehende Schlechtwetterfront. Okay, ich gebe zu, dass ich mittlerweile immer mehr Dinge brauche, wenn wir verreisen, auch mehr einpacke, als ich wirklich brauche. Deshalb stressen mich die Reisevorbereitungen auch so sehr.« Ich spürte aufsteigende Tränen. Ernsts Stimmung wandelte sich. »Schatz, vielleicht könnten wir nur ein einziges Mal wieder genauso reisen wie früher. Du nimmst ganz einfach nur das Wichtigste mit und schon ist der Stress weg. Ich hoffe natürlich, dass ich das Aller-allerwichtigste bin.« Er grinste. »Und falls wirklich mal etwas fehlen sollte, dann kaufst du es eben vor Ort. Falls du es nicht bekommen solltest, wird's zwar mal kurz spannend, aber das geht vorbei. Was meinst du: nur wir beide, meine Gitarre und ein paar Klamotten? Ich fühle mich direkt in unsere Anfangszeit zurückversetzt. Also, ich würde das super finden. Du nicht auch?«
 
Ich seufzte. »Ja, wenn das so einfach wäre, ja, dann … Ja, doch, wir haben früher wirklich ganz tolle Urlaube erlebt, uns so unabhängig und frei gefühlt. Doch, ich werde es versuchen. Es könnte allerdings dann auch für dich, ich nenne es mal, spannend werden. Eventuell sehr.« Ich seufzte erneut, lächelte ihn dann an. Ernst in mitfühlendem Tonfall: »Schatz, mach dir nicht so viele Gedanken. Es wird schon irgendwie funktionieren. Unsere Kreativität ist dann kurz gefragt. Ich kann mich mit allem bestens arrangieren. Spannungen und Herausforderungen der besonderen Art sind kein Problem für mich. Auch weil ich weiß, dass du dich nur mir zuliebe mit so manchem arrangierst: unter anderem mit Hausmannskost, Süßspeisen aller Art und … und … und.« Wir schmunzeln. Mein lieber Ernst sagte: »Mal was anderes. Ich habe mir für unsere Jungs, während wir im Urlaub sind, viele Aufträge überlegt, damit sie beschäftigt sind und nicht auf dumme Gedanken kommen. Allerdings werden sie sagen: Papa, das alles sollen wir in nur einer Woche erledigen? Das reicht ja locker für drei.« »Ernst, sie werden ganz bestimmt auf dumme Gedanken kommen und natürlich Feten feiern. Und wir wissen schon jetzt, dass sie die Sache mit dem Aufräumen nicht allzu ernst nehmen werden. Sollten wir zwei vielleicht ganz einfach statt einer, drei Wochen verreisen? Unsere Jungs hätten so auch viel mehr Zeit zum Aufräumen.« Ernst seufzte: »Ich finde deinen spontanen Sinneswandel mal wieder sehr anstrengend, aber auch toll.« Er grinste jetzt. »Ja, von mir aus können wir das gerne so machen. Unsere Kinder werden zwar sehr über die Urlaubsverlängerung staunen, aber was soll's. Ob sich meine Eltern allerdings freuen, unsere Kleine drei Wochen zu bespaßen? Die Jungs allerdings freuen sich ganz sicher über die sturmfreie Bude. Wir werden sehen, aber wo ein Wille ist, da ist ja auch immer ein Weg. Und ich will auf jeden Fall.«
 
»Ernst, ich muss sagen, es ist schon gut, wenn du auch mal das letzte Wort hast.« Er schmunzelte und sagte dann: »Schatz, du bringst es mit auch mal genau auf den berühmten Punkt.«
 
Text weitergeleitet an die Vereinsmitglieder der Kunstfreunde Wetter und andere lesebegeisterte Menschen
 
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