Die Traaditionen am ersten Advent - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Literatur
Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Die Traaditionen am ersten Advent

Es ist der erste Advent so gegen elf Uhr, als meine Eltern und Schwiegereltern endlich bei uns „eintrudeln“. Die Kinder und Ernst warten schon hungrig und entsprechend ungeduldig darauf, dass es endlich mit dem Brunchen losgehen kann. Diese Familienzusammenkunft hat Tradition und immer einen besonderen Grund. Mein lieber Ernst zeigt seine Fotos, die er so übers Jahr gemacht hat. So ein Jahr kann fototechnisch gesehen sehr lang sein, wenn man die Menge betrachtet, die er uns wie immer versiert auf einer Leinwand zeigen will. Wir wollen uns dafür „rüsten“ und vorher mit diversen Köstlichkeiten stärken, die ich immer, und ich muss sagen, sehr gerne in der Küche zaubere. Ernst ist ja bekanntermaßen ein großer Genießer und entsprechend großzügig immer auch sein Lob für mich. Ich habe dieses Mal ihm zuliebe keine vegetarischen Speisen zubereitet. Sie wären zwar für seine Gesundheit zuträglicher, aber ich habe mal eine Ausnahme gemacht, denn schließlich hat er heute ja noch seinen „Auftritt“. Die gesamte Familie langt kräftig zu, denn die Veranstaltung kann dauern. So an die fünfhundert Fotos erwarten uns jedes Jahr. Den Kaffee mache ich deshalb zu diesem Anlass immer etwas stärker, denn Durchhalten heißt die Parole. Wir staunen jedes Jahr aufs Neue, was Ernst für so wichtig hält, um es zu fotografieren. Das wären unter anderem: natürlich reichlich Familienfotos, aber auch ein Spanferkel am Spieß, gelehrte Biergläser, seine Angelerfolge u s w, u s w. Ein älteres Foto ist auch immer mit dabei. Ernst am Lagerfeuer seine Lieblingsgitarre spielend und von jungen Mädchen umringt. Es ist sein absolutes Lieblingsfoto, das er alljährlich zeigt. Wahrscheinlich um seine Söhne zu beeindrucken. Dabei hat er natürlich unseren Söhnen selbstverständlich längst Gitarrespielen beigebracht. Die Jungs spielen ebenfalls begeistert, aber E-Gitarre. Ich kenne dieses besondere Foto, solange ich Ernst kenne, und immer noch schwelgt er gerne in Erinnerungen an seine „wilden Jahre“. Ich lasse ihm die Freude und „ertrage“, seine Begeisterung mit Nachsicht und Wohlwollen. Er ist ein Freund von Traditionen und hält es für absolut richtig und wichtig, diese aufrecht zu erhalten, denn mein Schwiegervater war ebenfalls ein leidenschaftlicher Fotograf. Bei ihm gab es auch immer eine jährliche Vorführung, damals noch als Dia-Show, bis Ernst ihn ablöste. Ich erinnere mich noch an die Hektik, wenn dann die Dias falsch einsortiert waren oder die Menschen auf den Fotos auf dem Kopf standen. Es gab jedenfalls immer etwas zum Schmunzeln. Bei unseren Söhnen kann ich bislang noch keine Fotoleidenschaft feststellen. Zum Glück, denn ich hab`s nicht so mit Traditionen und den immer gleichen Abläufen. Der Ablauf dieser „Veranstaltung“ ist immer wieder der Gleiche, eben traditionell. Meine Eltern und Schwiegereltern schlafen nach einiger Zeit ein und auch die Kleine verzieht sich immer schnell. Die Jungs halten auf ihren Smartphones „daddelnd“ zwar durch, aber nur, weil Ernst immer am Samstag darauf mit ihnen zu einem Bundesligaspiel fährt. So ist der Deal. In diesem Jahr war es allerdings mit den Eintrittskarten wegen Corona schwierig. Ich weiß, dass mein lieber Ernst sehr genau weiß, dass ich die Einzige bin, die wirkliches Interesse hat zu sehen, was ihn so bewegt.
Zum Abschluss der Fotoshow spielt er immer, weil er Traditionen liebt auf seiner Gitarre und wir singen dann gemeinsam Adventslieder. Unsere Eltern wachen dann langsam wieder auf, die Jungs hören auf zu „daddeln“ und die Kleine gesellt sich wieder zu uns.
Meine Schwiegermutter vergießt dabei dann Tränen der Rührung.

Ganz traditionell immer wieder.

Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü