Die Sache mit der (In)Konsequenz - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Gedichte, Kurzgeschichten
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Die Sache mit der (In)Konsequenz


Ich stehe mitten in einem wunderschönen Garten, der mich an unsere Gartenreise in Südengland erinnert. Von irgendwo her dringt auf einmal Popmusik an mein Ohr. Die passt ja überhaupt nicht hierher! Ich schlage meine Augen auf und merke, dass ich geträumt habe. Auch mein lieber Ernst wacht jetzt auf. Es ist halb zwei in der Nacht. Das muss unser Großer sein, der gerade nach Hause gekommen ist. Als wir ihn wegen des Lärms zur Rede stellen, erklärt er uns ganz cool, dass er heute zum Einschlafen laute Musik brauchen würde. Ich merke, dass er schlecht gelaunt ist und sich beim ‚Diskutieren‘ mit uns Luft machen will. Ernst ist verärgert und droht ihm bei eventueller Wiederholung eines solchen Szenarios mit Taschengeldentzug. Plötzlich stehen unser jüngerer Sohn und die Kleine auch noch im Zimmer ihres Bruders und sind, weil aus dem Schlaf gerissen, entsprechend 'nölig'. Ernst erzählt uns nun, dass er in seinem Traum unseren neu angelegten sehr schönen Gemüsegarten mit einigen Blumen dazwischen gesehen hätte, aber leider durch den Musiklärm abrupt geweckt worden sei. „Ich habe im Traum unseren wunderschönen Blumengar …“, weiter komme ich nicht, denn unsere Kleine und der Mittlere möchten jetzt natürlich auch unbedingt ihre Träume erzählen.

„Was haltet ihr davon, wenn ich für alle Kakao koche, wir uns in die Küche setzen und uns unsere Träume erzählen“, schlägt Ernst jetzt vor. „Schatz, du versetzt mich in Erstaunen. Schöne Idee“, lobe ich ihn. „Ernesto, ich bin dabei. Nicht nur Vegetarier, sondern auch gleich Hausmann, alle Achtung“, ist die Meinung unseres jüngeren Sohnes. „Du Früchtchen. Du weißt, dass mein erhöhtes Cholesterin und der Gichtanfall mich zum Vegetarier gemacht haben. Und dann auch noch Ernesto! Du hast wohl auch zu viel Taschengeld! Also Jungs, wenn ihr mich provozieren wollt, werde ich die Geldkürzungen konsequent durchführen.“ Ernst ist jetzt merklich sauer. Nun folgt ein Loblied auf seine Konsequenz, die ihn seine Ziele haben erreichen lassen und er deshalb so erfolgreich sei … u s w. Diese, der Familie wohlbekannten Erläuterungen erfolgen um kurz vor zwei! Die Kinder, der Große natürlich nicht, trinken ganz schnell ihren Kakao und verschwinden ebenso schnell wieder in ihre Zimmer. Ihre Träume haben sie nicht erzählt. Schade!

Ernst scheint immer noch ‚grantig‘ zu sein, denn jetzt will er mit mir über seine Vorstellung zur gemeinsamen Gartengestaltung diskutieren. Vor Kurzem hatte er mir allerdings erst geraten hat, etwas ganz ‚Eigenes‘ zu machen. Dieses ‚Eigene‘, einen traumhaften Blumengarten ganz ohne Gemüse dazwischen, hatte ich in meinem Traum schon gesehen. Ernst versucht mir trotzdem die Vorteile eines ‚Kombigartens' zu erklären, damit er als Vegetarier jederzeit frische Möhren essen könne. „Das ist deine Idee, Ernst, nicht meine. Hattest du nicht gesagt, du würdest mich bei der ‚Findung‘ von etwas ‚Eigenem‘ unterstützen? Ich werde jedenfalls meine eigene Idee von einem wunderschönen Blumengarten ganz konsequent durchsetzen. Wir wollen doch immer schön auf Augenhöhe diskutieren, mein Lieber, oder etwa nicht? Jetzt aber mal etwas ganz anderes. Schatz, was hältst du von gebackenen Eiern. Ich habe Hunger.“ „Ich auch und wie! Das vegetarische Essen macht mich nicht so lange satt. Eier mit Räucherspeck. Lecker! Da habe ich jetzt spontan so richtig Lust drauf.“ „Und was ist mit deiner von dir so hochgelobten Konsequenz? Speck ist nicht wirklich vegetarisch“, gebe ich zu bedenken. „Ach, eine Ausnahme kann ich schon mal machen“, ist sein betont leicht dahin gesagter Kommentar. Wir machen uns nun gemeinsam ans Werk und das nächtliche Mahl nachts um halb drei schmeckt uns beiden vorzüglich.
 
„Das riecht aber heute Morgen gut. Klasse, es gibt Eier mit Speck zum Frühstück“, frohlocken die Jungs, als sie in die Küche kommen, aber beim Blick auf den Herd gibt es enttäuschte Gesichter. „Papa, du als Vegetarier isst nachts Eier mit richtig fettem Speck? Das nenne ich mal megakonsequent!“, entrüstet sich unser Mittlerer.
 
Ernst schaut mich jetzt an und …
 
Diese Kurzgeschichte wurde im Gemeindebrief der ev.-luth. Kirchengemeinde Goßfelden und Sarnau veröffentlicht
 

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