Das "Kleine Rote" - Barbara Kaul

Barbara Kaul - Malerei, Zeichnungen, Plastiken, Literatur
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Das "Kleine Rote"

„Wer hat denn den Früchtetraum bestellt?“ ertönt eine freundliche Stimme. „Ich. Der ist für mich“ höre ich mich sagen. Ein köstlich aussehender „Eistraum“ wird mir serviert, bestehend aus Eis, Früchten, Sahne garniert mit Waffelröllchen. Mmh!!! Das Bild verschwindet, ich wache auf. Schade mein „Früchtetraum“ war nur geträumt.
Ich schaue auf den Wecker. Nachts, halb zwei. Ernst liegt neben mir und schläft tief und fest. Eindeutig zu hören am Schnarchen. Ich wälze mich hin und her, kann nicht wieder einschlafen. Habe Hunger. Kein Wunder, hab ich doch seit 17 Uhr nichts mehr gegessen. Intervall Fasten ist angesagt, 16 Stunden Esspause. Um 9 Uhr gibt`s Frühstück. Erst! Kein Wunder, dass ich vom Eisessen träume. Doch das Fasten muss ich durchhalten, weil ich unbedingt in mein Lieblingskleid „das Kleine Schwarze“ passen will. In 2 Wochen gibt`s den passenden Anlass und ich will doch schließlich eine gute Figur machen. Ich könnte mir ja auch ein „Neues“ kaufen, aber unser Mittlerer hat bald Geburtstag und wünscht sich Fußballschuhe, die nicht wirklich günstig sind und eins geht nur, entweder Schuhe oder Kleid. Bei 3 Kindern muss man schon rechnen, also gibt`s Schuhe und Fasten soll ja auch gesund sein.
Mein Magen knurrt. Ich kann nicht schlafen und (oder weil) Ernst „laut atmet“; seelenruhig.  Der macht sich aber auch absolut keine Gedanken, was er zur kommenden Feier anzieht und ob das Jackett etwa zu eng sein könnte. Die Nerven möchte ich haben.
Also, wenn unser Großer in 2 Monaten zum Studium in eine WG zieht, dann ist sein Zimmer meins! Das steht schon mal felsenfest. Ganz fest. Ich will endlich mal ruhig schlafen. Ernst hatte vor, dort seine Eisenbahn aus Kindertagen aufzubauen. Dass muss ja nun wirklich nicht sein! Irgendwie ja auch rührend, wie er an dem Spielzeug hängt.
Ja, der Schlaf will sich einfach nicht einstellen. Kein Wunder! Was soll ich machen? Ich könnte eine winzig kleine Fasten Pause einlegen und mir einen winzig kleinen Eisbecher zaubern. Hab ich doch erst kürzlich 3 große Eisboxen eingekauft. Erdbeer für unsere Kleine, Schoko für die Jungs und für meinen lieben Ernst Haselnuss. Ja, und ich? Hab ich eigentlich auch eine Lieblingssorte? Darüber hab ich schon lange nicht mehr nachgedacht. Ich hab mir angewöhnt alle Sorten zu mögen. Außerdem ist für eine weitere Sorte kein Platz mehr. Ich steige hinab in den Keller, direkt Richtung Gefrierschrank. Ich freue mich. Eis. Lecker! Die Blicke in die drei vermeintlich vollen Boxen  lassen mich frieren. So gut wie leer! Das waren die Jungs!!!  Ganz sicher! Ich werde sie sofort zur Rede stellen. Tiefschlaf hin oder her. So sauer wie ich bin, ist es mir völlig egal. Schlaftrunken reiben sie sich die Augen. „Wir war`ns nicht, frag lieber mal Papa“, lautet ihre Antwort. Mach ich sofort und auch er antwortet schlaftrunken: „Ja, weißt du, neulich beim Skat…“, weiter kommt er nicht. „Du Schuft, klammheimlich Eis essen. Ich glaub`s ja nicht. „Es gibt Eis? Ich will Erdbeer“. Ziemlich wach steht unsere Jüngste in unserem Schlafzimmer. „Du willst gar nichts, allerhöchstens möchtest du… Außerdem ist Erdbeer alle“. Jetzt fängt sie an zu weinen. Auch das noch! „Alle wieder in die Betten“, kommandiere ich.
„Morgen lade ich alle zum Eisessen ein, als Wiedergutmachung“, höre ich Ernst sagen. „Papi ist der Beste“ flötet unser Nesthäkchen.
Auch das noch, er ist der Beste. Von wegen.
Den Rest der Nacht sinne ich über Rachepläne nach, bis ich dann doch in einen tiefen Schlaf falle, in dem sich mehrere Traumsequenzen aneinanderreihen:

Fröhlich und heiter sitzen wir alle in der Eisdiele vor unserem „Eistraum“. Auch ich fühle mich durch meinen „Früchtetraum“ versöhnt.__________

Die Jungs sitzen vorm Fernseher und gucken Fußball - „Länderspiel“.  Ob Papi gerne mitschauen möchte? „Übrigens Jungs`, dass ihr heute Abend mit dem Hund rausgeht, dass ist Euch ja wohl klar“, sagt Ernst wesentlich lauter als sonst. Von den Jungs ist kein Kommentar zu hören.
Ernst und unsere Kleine sind gemeinsam in der Küche. Die Kleine erzählt ununterbrochen von ihren Kindergarten - Freundinnen. Na, ob Papi das wohl interessiert?
Er kocht Spaghetti, wärmt Tomatensoße in der Mikrowelle, reibt Parmesan, deckt den Tisch, holt Getränke, das Nudelwasser kocht über…
„Papi, du schwitzt ja, Mami schwitzt nie beim Kochen“, höre ich unsere Kleine sagen.______________

Außer mir sitzen sie alle in der Pizzeria und lassen es sich schmecken. Ernst strahlt! Eisdiele, dann Pizzeria. Unsere Kinder loben ihn: „Papi, du bist der Beste“___________

Ich stehe in der teuersten Boutique der Stadt. Das rote Kleid steht mir gut und die roten hochhackigen Schuhe dazu, perfekt! Statt schwarz, habe ich mich ganz spontan für rot entschieden. Mal was anderes. Außerdem ist rot angeblich Ernsts Lieblings Farbe. Ich will ihm ja schließlich gefallen, auch wenn es immer mal kurz kriselt.
Auf dem Heimweg kaufe ich noch Mango Eis, meine neue Lieblingssorte! Eine große Box!
Zu Hause angekommen zeige ich mein neues Outfit. Anerkennende Pfiffe von meinen drei Männern; die Kleine flötet: „Mami, du siehst toll aus“._____________

Ich wache auf und weiß, dass der Traum vom „Kleinen Roten“ incl. Schuhe und incl. Mango Eis ganz sicher Wirklichkeit werden wird.



Alle anderen Träume, die sind Spekulation!!!


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